Lula da Silva: "Länder der industriellen Revolution müssen ihre historische Umweltschuld bezahlen"
Von Maria Müller
"Power Our Planet" – oder "Mach unseren Planeten stark" hieß das Großkonzert in Frankreichs Metropole, das am Abend des 22. Juni auf dem Champ de Mars direkt vor dem Eiffelturm stattfand und von der NGO "Global Citizen" organisiert war. Gut 20.000 überwiegend jugendliche Teilnehmer schwenkten begeistert ihre Handys, wiegten sich im Takt der Lieder und begleiteten sie mit tausendfacher Stimme. Die beeindruckende Szene erinnerte an die Konzerte der Protestbewegungen der 60er- oder 80er-Jahre – eine neue Generation, ein neuer Aufbruch?
Ein neues System zur Rettung des Planeten
Das Hauptthema der Veranstaltung war der Klimawandel und die Notwendigkeit, zur Rettung des Planeten ein radikal umfassendes "neues System" zu schaffen. Inmitten der frenetisch begrüßten und singend begleiteten Top-Künstler platzierte sich ein spezieller Gast im Zentrum der kollektiven Begeisterung: der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Offenbar gilt er unter den Umweltaktivisten als militanter Vorkämpfer zur Rettung des Planeten. Seine simultan übersetzte Rede wurde immer wieder mit großem Applaus kommentiert.
Lula kam gleich zu Beginn zur Sache, indem er sagte:
"Diejenigen, die die industrielle Revolution gemacht haben, müssen ihre historische Schuld gegenüber dem Planeten begleichen."
Deswegen sei es die Pflicht der reichen Länder, die Wiederaufforstung des Amazonasgebiets, der pflanzlichen Lunge der gesamten Menschheit, zu finanzieren. Und weiter:
"Sie haben eine historische Schuld für die gesamte Umweltverschmutzung, die sie verursacht haben, und müssen dafür bezahlen [...] Es waren nicht die afrikanischen Menschen, die die Welt verschmutzt haben, es waren nicht die lateinamerikanischen Menschen, die die Welt verschmutzt haben. Tatsächlich waren es diejenigen, die die industrielle Revolution herbeiführten, die in den letzten 200 Jahren den Planeten verseuchten."
Discurso que fiz hoje em Paris no #PowerOurPlanet. A Terra é nossa única casa. Juntos devemos trabalhar por um futuro melhor. pic.twitter.com/SaYp1xn2Jr
— Lula (@LulaOficial) June 22, 2023
Der brasilianische Präsident fügte hinzu, dass "die Erhaltung der Wälder in der Verantwortung der reichen Länder liegt", und ebendarum seien es diese Nationen, die die Wiederaufforstung des Amazonas finanzieren müssten. Er erklärte, dass er bei seinem Amtsantritt als Präsident Brasiliens am 1. Januar versprochen habe, dass im Amazonasgebiet bis zum Jahr 2030 "keine Entwaldung" mehr stattfinden werde, und warnte davor, dass seine Regierung "sehr hart" gegen jeden vorgehen werde, der auch nur einen Baum in diesem Gebiet zerstören wolle. Lula dazu:
"Der Amazonas ist ein souveränes Territorium Brasiliens, gehört aber gleichzeitig gehört er der gesamten Menschheit, weshalb wir alle Anstrengungen unternehmen werden, um diesen Wald zu erhalten."
UN-Klimakonferenz zur Rettung des Regenwaldes
Er lud dazu ein, im Jahr 2025 Brasilien zu besuchen und an der UN-Klimakonferenz COP 30 teilzunehmen. Der Gipfel wird in der Amazonasstadt Belém stattfinden. Er lud vor allem diejenigen ein, die für die Wiederaufforstung des Regenwaldes kämpfen und ihn als grüne Lunge der Welt verteidigen.
Lula erinnerte daran, dass der Amazonas der größte Tropenwald der Erde sei und 40 Prozent der weltweit existierenden Wälder dieser Art ausmache. Ferner sei es ein Gebiet, das sich über acht Länder Südamerikas erstrecke und in dem 400 indigene Völker leben, die 300 autonome Sprachen sprechen.
Der brasilianische Präsident betonte, dass der Amazonas auch sechs Prozent der Erdoberfläche bedecke und über die größten Flüsse der Erde verfüge, in denen zehn Prozent der Pflanzen und Tiere der Welt leben. Aus diesen Gründen forderte er die Menschheit auf, sich für den vollständigen Übergang zum Verbrauch sauberer und erneuerbarer Energie einzusetzen.
Gipfel für einen globalen Finanzpakt
Ganz nebenbei ist Lula nicht allein wegen des Konzerts nach Paris gekommen, sondern um an dem von Frankreichs Präsident Macron einberufenen Gipfeltreffen teilzunehmen, das zeitlich parallel stattfand. Der Gipfel sollte eine neue internationale Finanzordnung, einen "globalen Pakt" in die Wege leiten. Vertreter von etwa 100 Staaten, internationalen Organisationen und Entwicklungsbanken kamen zusammen, um über die globale Finanzarchitektur und ein solidarisches Finanzsystem zum Klimaschutz und zur Bekämpfung von Armut zu diskutieren. Als Ergebnis des Treffens wurden bessere finanzielle Hilfen in Aussicht gestellt, ohne jedoch konkrete Abmachungen zu unterzeichnen.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Kristalina Georgieva, sagte, dass nun das Ziel erreicht wurde, 100 Milliarden US-Dollar über Sonderziehungsrechte für Not leidende Länder zusammenzubringen. Macron stellte weitere finanzielle Hilfen in Aussicht:
"Unsere Experten sagen uns, dass wir mittlerweile dabei sind, die Klimafinanzierung in Höhe von 100 Milliarden Dollar zu erreichen."
Der Gipfel endete allerdings ohne vertragliche Verpflichtungen, um die Absichten zum Klimaschutz in die Praxis umzusetzen. Auch die Bekämpfung von Armut und Hunger ist ein zweischneidiger und wenig glaubwürdiger Vorsatz, solange die technologische und energetische Umgestaltung der Industrienationen wieder mithilfe des kolonialen Ausbeutungsmodells durchgesetzt werden soll: diesmal mit den natürlichen Ressourcen wie Süßwasser für Wasserstoff, Lithium und Nickel für Elektroautos, alles aus den Ländern des "Globalen Südens". Deren eigene nationale Produktionsketten werden nach wie vor vom "Globalen Norden" verdrängt, blockiert und umgeleitet. Insofern wäre ein globaler Finanzierungspakt eher eine Voraussetzung für eine gleichberechtigte Entwicklung, die jedoch nur mit einem "neuen System" ermöglicht werden kann – ganz so, wie es die Lieder auf dem Champs de Mars forderten.
Mehr zum Thema - Äthiopien beantragt BRICS-Beitritt
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.