Deutschland

Die Grünen 2022: Erst Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, jetzt Ölförderung im Wattenmeer

Die Grünen gelten gemeinhin als pazifistische und vor allem umweltbewusste Partei. Derzeit überraschen Politiker wie Wähler jedoch mit aktiven Unterstützungen ehemaliger Tabu-Themen. Im jüngsten Fall wollen die schleswig-holsteinischen Grünen zuvor bekämpfte Ölförderungen im Wattenmeer genehmigen.
Die Grünen 2022: Erst Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, jetzt Ölförderung im WattenmeerQuelle: Gettyimages.ru © Pool / Auswahl

Als "bestes grünes Wahlergebnis in Schleswig-Holstein" kann das Wahlergebnis der Partei vom letzten Wochenende deklariert werden. Laut dem vorläufigen Endergebnis wurde sie mit 18,3 Prozent die zweitstärkste Kraft, dies entspricht einem Zuwachs von guten 5,4 Prozent. Auf der Webseite wurden als mögliche Gründe für die Zustimmung bei den Menschen in Schleswig-Holstein Folgende genannt:

"Klimaschutz, erneuerbare Energien und soziale Gerechtigkeit haben oberste Priorität. Und genau dafür sind wir Grüne der Garant in der Landesregierung in Schleswig-Holstein."

Der solide Zuspruch irritiert, ebenso die anscheinend hohen Zustimmungs- und Sympathiewerte für das Agieren der Partei im Ukraine-Krieg. Das Handelsblatt titelte Anfang Mai: "Habeck, Baerbock, Özdemir: Erstmals drei Grüne beliebteste Politiker in Deutschland". Noch im Bundestagswahlkampf 2021 hieß es bei den bundesweiten Wahlkampfversprechen:

"Wir setzen uns für ein Exportverbot von Waffen und Rüstungsgütern an Diktaturen, menschenrechtsverachtende Regime und in Kriegsgebiete ein."

Die Forderungen und aggressiven Marschrouten der zurückliegenden Wochen klingen nun aus dem Parteibüro in Berlin weit entfernt von ehemals bekannten pazifistischen Grundsätzen, die auch nach außen hin von der Partei zumindest in der öffentlichen Darstellung gepflegt wurden. 

Den Wählern in Schleswig-Holstein musste hinsichtlich des versprochenen Augenmerks auf Klimaschutz und erneuerbare Energien jedoch vor der Stimmabgabe bewusst gewesen sein, wo sie ihr Kreuz platzieren. In der Drucksache 19/3741 19 des schleswig-holsteinischen Landtags vom 11.03.2022 trägt der eingebrachte Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP den Titel "Energieversorgung sichern – Erdölförderung befristet gestatten." Dazu heißt es:

"Der Landtag stellt fest, dass Deutschland bedauerlicherweise noch in hohem Maße von fossilen Energieträgern abhängig ist ... In diesem Zusammenhang wird die Landesregierung gebeten, die vorübergehende Erweiterung der Erdölförderung über die Plattform Mittelplate im Rahmen der bestehenden Regelungen zu unterstützen."

Dieser Antrag gelang nun in die Medien. Dabei geht es um die aktive Ölförderung im Naturpark Wattenmeer, das seit 2009 den Titel "Weltnaturerbe" trägt. Genauer gesagt geht es um den sieben Kilometer von der schleswig-holsteinischen Küste entfernt agierenden Erdölförderkonzern Wintershall Dea, der von der künstlichen Bohr- und Förderinsel Mittelplate seit nunmehr 32 Jahren einerseits das begehrte Öl fördert, aber auch dementsprechend von Umweltverbänden und bis dato auch den Grünen kritisiert und bekämpft wird.

Im Jahr 2016 titelte die TAZ: "Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck will Öl-Probebohrungen im Wattenmeer untersagen." Im Oktober 2019 hieß es zu dem regionalen Dauerthema: "Der Antrag des Ölkonzerns Wintershall Dea für eine zusätzliche Ölförderung im Nationalpark Wattenmeer hat ein altes Streitthema neu entfacht." Die Süddeutsche Zeitung berichtete über Habecks Nachfolger:

"Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) bleibt bei seiner Ablehnung. Er habe starke Zweifel, dass eine Genehmigung mit dem Nationalparkgesetz vereinbar sei, sagte Albrecht der Deutschen Presse-Agentur. Auf einem Landesparteitag der Grünen in Büsum bekräftigte er sein Nein am Samstag: Er lehne mehr Förderung als bislang ab."

Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten kam zu dem Ergebnis:

"Da das neue Bewilligungsfeld vollständig in einem Nationalpark sowie in einem sogenannten FFH- und Vogel-Schutzgebiet liegt, würde sich das den Rohstoffgewinnungsinteressen widersprechen. Alles deute rechtlich darauf hin, dass die Argumente für eine Begrenzung der Ölbohrungen überwiegen."

Im Juli des Jahres 2019 wurde zuvor bekannt, dass durch eine Leckage in einem Erdölbohrloch wohl schon seit Jahren über 200 Millionen Liter kontaminiertes Lagerstättenwasser ins Grundwasser gelangt war. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) informierte nun im Jahr 2022 vorab über aktuelle Statements der Parteien zur anstehenden Landtagswahl, mit dem Titel: "Neue Ölbohrungen im Wattenmeer? Positionen der Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen."

Gegen "neue Ölbohrungen" positionierten sich die Kandidaten der SPD, der Linken und des Südschleswigschen Wählerverbands SSW (einer Minderheiten- und Regionalpartei), der bei den Wahlen 2022 2,4 Prozent zulegen konnte, um – von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen – 5,7 Prozent zu erzielen.

Die beiden Kandidatinnen der Grünen, Monika Heinold und Aminata Touré, gaben an, keine Probleme mit zukünftig erweiterten Ölbohrungen zu haben. Die Begründung lautete:

"Wir müssen angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine alle Möglichkeiten ausschöpfen, um fossile Importe aus Russland zu verringern. Die Suche nach alternativen Quellen bezieht auch die Mittelplate mit ein. […] Es wäre eine Vorbedingung, dass Wintershall DEA seinen Antrag mit einem festen früheren Ausstiegsdatum für die Plattform insgesamt verbindet."

Die grüne Wählerklientel lernt und unterstützt damit nachweislich. Laut den neuen Ausrichtungen der Partei fördern massive Waffenlieferungen in Kriegsgebiete vermeintlich den Frieden. Riskante Ölförderungen in einem Weltnaturerbe, dem Wattenmeer, sichern "alternative Quellen" der Energieversorgung in Deutschland.

Hans-Ulrich Rösner, Leiter des WWF-Wattenmeerbüros in Husum, warnt bezugnehmend auf die neuesten Absichten einer voraussichtlich schwarz-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein: "Durch neue Bohrungen bekommen wir noch mehr Schiffsverkehr, es gibt mehr Lärm und Lichtverschmutzung und über allem schwebt immer das Risiko einer Havarie." Die DUH kommentiert:

"In Zeiten der Klimakrise ist die Erschließung neuer Ölfelder kompletter Irrsinn und Schutzgebiete sollten im Jahr 2022 ohnehin tabu sein. Die Landesregierung reagiert hier im Panikmodus und zementiert damit die fossile Infrastruktur für die nächsten Jahrzehnte – ohne ein konkretes Ausstiegsdatum zu nennen."

Die DUH prüft derzeit laut Informationen des Magazins Spiegel, ob "sie rechtlich gegen die Förderpläne vorgehen wird, und stützt sich dabei unter anderem auf das erwähnte Rechtsgutachten von 2020 – das von jenem Ministerium in Auftrag gegeben wurde, das nun für die Ölbohrungen ist". Dabei würde jedoch die Zeit knapp, da "die Genehmigung bereits Ende Mai erfolgen könnte", so der Spiegel.

Mehr zum Thema - Grüne verraten Friedenspolitik – Dokumentation eines Parteiaustritts

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.